Creation. Creator. Creature.

Alchemie. Die Große Kunst

exhibition by staatliche museen zu berlin

6 April – 23 Juli 2017
Kulturform Berlin

Der heutige Blogeintrag beschäftigt sich mit einer Kunstform, die auf eine lange Tradition zurück blickt und die durch ihre geheimnisvolle und wissenschaftlich geprägten Impulse ein Mysterium darstellt: die Rede ist von der hohen Kunst der Alchemie, deren Werke in dem Kulturforum Berlin zu sehen sind.

DIE SCHÖPFUNG

Die Ausstellung ist in zwei direkt übereinander liegenden Stockwerken initiiert. Das obere Stockwerk beschäftigt sich mit Der Schöpfung, dem Ursprung der Alchemie, was von dem griechischen Wort chēmeía („Metallgießen“, Schmelzen, Legieren) abgeleitet wird und zeigt die alchemistischen Praktiken welche sich in einem künstlerischen Schaffensprozess auswirken. Die Alchemisten beschäftigen sich seit mehr als über 3000 Jahren mit der Nachahmung von Edelmetallen und -steinen, deren chemische Transformationsprozesse in China und Indien sogar bis hin zu Unsterblichkeitsmythen ausufern. Im asiatischen Raum befasst sich die innere Alchemie mit dem menschlichen Organismus, dessen Prozess mit dem eines Reagenzglases gleichgesetzt wird und wie eine astronomische Landkarte zu lesen ist. Die Körpelichkeit wird durch Glasgefäße dargestellt, welche die verschiedenen Lebensfunktionen veranschaulichen. Es vereinen sich Wissenschaft und Spiritualität auf meditative Weise im inneren Elixier dem sogenannte neidan und pharmazeutische und chemische Essenz im äußeren Elixir dem waidan. In China wurde daher die Porzellanherstellung als das „feurige Gold“ interpretiert und ging als eine sehr hohe Handwerkskunst in deren Kultur ein.

Von der asiatischen Porzellankunst ließ sich die in der Ukraine geborene Künstlerin Maria Volokhova inspirieren und stellt im Kulturforum ein Teeservices aus, welches Gedärmen gleicht, die sich empor ranken und eine kleine Schale, die auf der Spitze des Turmes platziert ist, tragen. In ihren Werken geht es ihr um die innere Welt des Menschen, wodurch sie einen Dialog zwischen Installationen und dem Betrachter schaffen möchte. Sie spielt quasi mit dem Betrachter, den sie in eine Situation der inneren Unsicherheit und Verwirrung versetzen möchte. Mit ihrer Porzellankunst möchte sie die Zerbrechlichkeit von inneren Organen sowohl in den visuellen als auch fühlbaren Dimensionen ausdrücken.

      
Abb. 1 & 2: Maria Volokhova. Jejunum teapot. 2009

Mit der Thematik der Ursprünglichkeit hat sich auch die Berliner Künstlerin Sarah Schönfeld auseinandergesetzt. In ihrer Arbeit Hero´s Journey platzierte die Glasvitrine im Berliner Technoclub Berghain, um den Urin der Besucher darin zu sammeln. Über mehrere Wochen kamen bis zu 1000 Liter zusammen, die nun im Kulturforum ausgestellt sind. Durch die spezielle Beleuchtung erstrahlen die menschlichen Ergüsse in goldenen Schimmer, welche Assoziationen byzantinischen Kirchengemälde hervorruft. Der menschliche Organismus wird hier als vermeintlicher Erzeuger der Prima Materia gedeutet.


Abb. 3: Sarah Schönfeld. Hero´s Journey (Lamp). 2014. Stahl, Glasvitrine, Urin, Licht

DER SCHÖPFER

Der Künstler tritt in der Ausstellung als der Schöpfer hervor, dessen Erzeugen von künstlichen Gold nur ein untergeordnetes Bestreben des alchemistischen Schaffensprozess darstellt. Das Ziel der Alchemisten war es den göttlichen Schöpfungsprozess selbst zu transzendieren, indem sie die Natur nicht nur imitieren, sondern auch selber erschaffen und letztendlich auch übertrumpfen wollten. Viele Künstler widmeten sich der prozessualen Verwandlung des Materials, indem sie Materie als Teil der natürlichen Schöpfung in einen künstlerischen Kontext setzen.

Der Berliner Fotograf Heinz Hajek-Halke, der zu den ersten Fotografen der sogenannten Subjektiven Fotografie“ gehörte,  entwickelte in diesem Zusammenhang durch Mehrfachbelichtung und Montage Bilder die in Fragmentierungen und Collagenartige Gesatlung aufgehen. Seine einzigartige Lichtgrafik zeigen eine Verschmelzung von physikalischer und chmemischer  Verschmelzung.


Abb. 4: Heinz Hajek-Halke. Ohne Titel. 1950-1970, Farbpapier

DAS GESCHÖPF

In der unteren Etage bezieht sich der Ausstellungsinhalt auf Das Geschöpf und zeigt die Werke welche aus der Synthese des Umwandlungsprozesse entstehen. Die Künstlerin Sarah Schönfeld präsentiert auch in dieser Ebene ihre Werke. In der Reihe All you can feel zeigt sie eine Symbiose aus Fotografie und Droge, welche sie unter dem Mikroskop festhält. Die monochrome Fläche der Negative wurden mit dem flüssigen Wirkstoff der bewusstseinsverändernden Substanz beträufelt, wodurch die farbenprächtigen, splitterartigen Strukturen entstanden. Durch ihren Vater, der selber wegen seiner Geisteskrankheit Medikamente nehmen musste, entwickelte Schönefeld das Konzept zu All you can feel. Es ging ihr um die Frage nach dem Einfluss von Medikamente auf die eigene Persönlichkeit und Psyche, die sie auf eine sehr authentische Weise wieder spiegelt und dabei die gesellschaftlichen Einflüsse, welche unsere Wahrnehmung und Kognition bedingen, aufgreift. In ihrem Schaffensprozess befasst sie sich mit der Ursprünglichkeit und der universellen Verbundenheit des Existenziellen.


Abb. 5: Sarah Schönfeld. All you can feel. MDMA (Maps). Photo-Pharmaceutische Serie. 2013. MDMA auf Fotonegativ.

Eine Künstlerin, die sich ebenfalls mit der alchemistischen Kunst auseinander setzt, ist Natascha Sonnenschein. Mit ihren Scanographien verbindet sie digitale und analoge Medien, um einen Einklang zwischen Natur und Technik, Kunst und Wissenschaft, Geist und Materie zu erschaffen. Ihr Anreiz, das nicht-sichtbare der Welt durch ihre Werke sichtbar zu machen, kreiiert sie durch das Transformieren des Profanen. In ihren Mixed-Media Werken greift sie die Bereiche der Quantenphysik, Neurobiologie, Epigenetik und Philosophie auf und setzt sie in lichtdurchflutete und verträumte Weise um. Gewöhnliche Alltagsgegenstände und Lebewesen werden so durch ihren individuellen Ausdruck für den Betrachter zu einer neuen Erfahrung. Sonnenscheins Arbeit finde ich sehr inspirierned, da sie die Natur- und Geisteswissenschaften miteinander verbindet, um so eine Welt aus Realität und Surrealität zu erschaffen.


Abb. 6: Natascha Sonnenschein. Paradies der Künstlichkeit. 2001, Scanografie, Pigmentdruck auf Alu-Dibond hinter Acrylglas

Eine Verbindung von Gold und videographischen Medium schaffte der Künstler Joe Ramirez in seinem eigens entwickelten Verfahren. Er verwendet als „Leinwand“ eine goldene Schale auf die ein Film projeziert wird. Die in goldgetauchten Filmgemälde werden in einem stark abgedunkelten Raum gezeigt und haben dadurch eine erhabene Ausdrucksform.


Abb. 7: Joe Ramirez. The Gold Projections.

 

 

Abbildungsverzeichnis:

Abb. 1 & 2: Maria Volokhova. Jejunum Teapot. 2009.
Abb. 3: Sarah Schönfeld. Hero´s Journey (Lamp). 2014. Stahl, Glasvitrine, Urin, Licht.
Abb. 4: Heinz Hajek-Halke. Ohne Titel. 1950-1970, Farbpapier
Abb. 5: Sarah Schönfeld. All you can feel. Crystalmeth. 2013. Crystal auf Fotonegativ.
Abb. 6: Natascha Sonnenschein. Paradies der Künstlichkeit. 2001, Scanografie, Pigmentdruck auf Alu-Dibond hinter Acrylglas
Abb. 7: Joe Ramirez. The Gold Projections.

 

Webseiten:

Sarah Schönfeld
Natascha Sonnenschein
Maria Volokhova