Enjoy Your life!

JOY

GLÜCKSELIGKEIT

exhibition by jürgen teller
“Enjoy Your Life”

20. April – 3. Juli 2017
Bundeskunsthalle im Martin-Gropius-Bau – Berlin

EXPOSÉ

Narration, Fiktion und Identität – mit diesen Begriffen lässt sich mein neuer Blogeintrag über die Ausstellung „Enjoy Your Life!“ von dem Fotografen Jürgen Teller am besten ausdrücken. Die Bundeskunsthalle im Martin-Gropius Bau in Berlin präsentiert der Zeit das fotografische Schaffen des Deutschen Fotografen, welche zuvor in der Bundeskunsthalle Bonn und in der Galerie Rudolfinum in Prag ausgestellt wurde. Da ich den Fotografen schon einmal persönlich kennen lernen durfte, war ich nicht nur von ihm als Mensch sehr beeindruckt, seine Ausstrahlung ließ mich sein Schaffen auch besser verstehen, daher war ich besonders gespannt auf seine Ausstellung, der ich diesen Eintrag widme.

ZWISCHEN KUNST UND KOMMERZ

„Enjoy Your Life!“ wird im höchsten Stockwerk der Bundeskunsthalle präsentiert und lässt den Besucher in fotografisch inszenierte Räume eintreten, die das Leben von Jürgen Teller offenlegen.

Der in Bubenreuth bei Erlangen geborene Fotograf studierte an der Fachakademie für Fotodesign in München und begab sich 1986 nach London, wo seine Portraits in Musik- und Modemagazinen große Anerkennung fanden. Während dieser Zeit, die voller Ungewissheit und purer Leidenschaft für die Fotografie geprägt war, knüpfte er engen Kontakt zu dem Modedesigner Marc Jacobs um dessen Werbekampagnen abzulichten.

Abb. 1: Ausstellungsraum

Abb. 2: Fotografie von dem Model Kristen McMenamy auf einem Teller.

Abb. 3: Kristen McMenamy.

Zu einen seiner Modelle gehört das amerikanische Model Kristen McMenamy, welche er bereits in einer anderen Fotostrecke während einer Modenschau von Versace hinter den Kulissen ablichtete. Mit dem Offenlegen der äußerlichen Nacktheit seines Gegenübers, spielte Teller immer wieder in seinen Fotografien, um sie in ihre eigene Nacktheit zu hüllen. In seinem Schaffen geht es ihm immer um die Person die er portraitiert, wodurch er es schafft Modefotografien entstehen zu lassen, ohne wirklich die Mode zu fotografieren.

Abb. 4: Selbstportrait. London. 2015

Der Künstler begibt sich auf eine Gratwanderung zwischen der Kunst und kommerzieller Fotografie. In der Modewelt wird alles dem idealen Schönheitsbild angepasst, wobei Teller die nicht perfekte Schönheit zum Ausdruck bringt. Sein Selbstportrait von 2015 zeigt seine ironische und provokante Haltung hierzu. In dem Selbstportrait kritzelt er daher alles, was für gewöhnlich als nicht perfekt gedeutet wird mit roter Schrift an und stellt sich selbst dabei auf humorvolle Weise in Szene. Diese Art der Beschriftung ist angelehnt an die Bemerkungen, die man auf Negativen der Analogfotografie findet, zu der sich der Künstler sehr hingezogen fühlt, da sie ihm das Arbeiten mit den Händen ermöglicht.

Abb. 5: Selbstportrait

Das Selbstportrait zeigt Jürgen mit einem breiten Grinsen und weißen Make-up wie er mit verschränkten Armen, ein blau-weis gestreiftes Sweatshirt tragend, in die Kamera lächelt. Das Foto wirft an dieser Stelle auch eine andere spannende Theorie auf. Da er das Foto offenbar nicht selber geschossen hat, lässt das die Frage zu inwiefern er der Fotograf des Bildes ist und ob es notwendig ist der tatsächliche „Erzeuger“ der Ablichtung zu sein? Als Fotograf legt man den Inhalt, Bildaufbau und die ganze Szenerie fest, um sie dann einzufangen. Meine Schlussfolgerung ist hierbei, dass es keine Rolle spielt wer auf den Auslöser drückt, sondern wie die Szenerie im Bild erzeugt wird. Teller ist nach wie vor der jenige der das Bild bestimmt und kann sich dadurch ausdrücken.

Sein markantes Stilmittel, der Umgang mit der Nacktheit, zieht sich in den folgenden Fotografien fort.

 

Viele seiner Arbeiten wurden auf Tellern präsentiert. Der Fotograf ist quasi der Geist, der aus dem Teller kommt, um die Wünsche des Betrachters in Erfüllung gehen zu lassen.¹

Seine Art und Weise wie er die Persönlichkeit seiner Modelle einfängt und wie er sich durch die Fotografie ausdrückt, wird in der Dokumentation „Jürgen Teller“ veranschaulicht. In seinem fotografischen Prozess penetriert er gerade zu sein Gegenüber, indem er mit zwei Kameras arbeitet, um alle Barrieren zu brechen und um das Innere des Potraitierten nach Außen zu tragen. Seine Kunst lässt dadurch keinen Raum für das Erzeugen künstlicher Identitäten, sie sind fixiert auf das Rohe und Unverfälschte.

Abb. 6: Lily Cole.

Eine Fotografie, die mich persönlich sehr berührte, ist in einer Bilderstrecke mit der britischen Schauspielerin Lily Cole entstanden, die wie eine Wasserleiche im See treibt und deren eisblauen Augen in einer Leere starren. Auf seelischer Ebene erzeugt sie in ihrer Abwesenheit und Leblosigkeit ein beklemmendes, geradezu trauriges und erdrückendes Gefühl und zum anderen erweckt sie  etwas Schönes, welche in einer Form der Isolation aufgeht und auf die Stufe des Erhabenen gestellt wird. Diese puristische Offenbarung wird zum einen durch die porzellanähnlichen Haut und die kontrastierenden roten Haare der jungen Frau untermauert, aber in erster Linie ist es ihre innere Unbefangenheit und Natürlichkeit die nach Außen tritt, welche durch das Vertrauen in den Fotografen hervorgerufen wird. Dem Betrachter gewährt die Schauspielerin dadurch Einblick in deren Seele.

DER WALD ALS ZUFLUCHTSORT VON TELLERS SEELE

Der letzte Raum ließ bereits vor dem Eintreten Vogelgezwitscher und diverse andere Tiergeräusche wahrnehmen, um die gezeigten Fotografien eines überwucherten Waldes, akustisch zu untermalen. Der Besucher fand sich in Mitten eines Urwaldes wieder und somit auch in Mitten des seelischen Zufluchtsortes des Fotografen.

Abb. 7: Ausstellungsraum in Anlehnung an einen Urwald.

Der inszenierte Raum erzeugt Assoziationen eines Ryhope Wood, wie ihn Robert Holdstock in seiner Novelle Mythago Wood beschreibt. In seiner Novelle stellt der Wald ein paralleles Weltall dar, in dem die Wälder überdimensional groß erscheinen und erschafft so einen Mythos. Jürgen selbst suchte in seiner Kindheit immer Zuflucht im Wald nahe des Elternhauses, wo er sich frei fühlte und Fußball spielte. Der Künstler inszeniert die Personen und Modelle, welche er in den letzten Jahrzehnten fotografiert hat, als Bewohner seines eigenen Waldes.

Abb. 8: Kristen Stewart.

In der Ausstellung wird auch sein familiäres Umfeld beleuchtet. Seine Mutter, die ihm sehr am Herzen liegt, fotografierte er viele Male; vorwiegend bei bedeutenden Veranstaltungen, wie bei einem Treffen mit Karl Lagerfeld. Aus der Bilderserie geht hervor, dass er einen sehr starken Bezug zu ihr hat. Der Wald war auch in seiner Kindheit ein wichtiger Zufluchtsort, wo er sich nach der Schule gerne aufhielt, wenn er seinem Elternhaus entfliehen wollte. Die Beziehung zwischen Jürgen und seinem Vater war mit viel Leid geprägt, da dieser ihn wenig Beachtung schenkte und Suizid beging, als der Fotograf gerade einmal 24 Jahre alt war. Das Verhältnis spiegelt sich auch in dieser einen Arbeite wider (Abb. 9).

Abb. 9: Selbstportrait.

Nach dem Tod seines Vaters fand Jürgens Cousin Helmut diese alte Aufnahme in einem Fotobuch, auf dem Jürgen als Baby zu sehen ist. Rechts neben der Fotografie war ein Text, den Jürgen selber schrieb. Dieser zeigt seine Gedanken, die er mit der Aufnahme verbindet und welchen ich an dieser Stelle zitieren möchte:

THE CLINIC

I got tired of smoking and drinking. This clinic is the best thing I´ve done for my body and for my mind. (…) Looking at those books made me cry. Dad killing himself, but seeing in those photographs it was not all dark days and realising what a great photografer he was. (…) I want to thank my Mum and Dad, my wife Sadie, my children Lola and Ed, my cousin Helmut, my friend Manu, who stopped drinking way earlier then I did, and finally to the original F.X. Mayr Clinic and everyone who works there.

Juergen Teller

RÉSUMÉ

Jürgen Teller schafft es den Betrachter mit seiner fotografischen Autobiografie an seinem Leben und seiner Weltanschauung teilzunehmen, wodurch er daran erinnern möchte wie einfach es sein kann das eigene Leben zu genießen und schafft so eine sublime Verbindung von uns allen.

Inhaltsverzeichnis:

¹ Ausstellungstext von Francesco Bonami

Video